Was Ärzt:innen an der Pflege schätzen – und was nicht gesagt wird
Autor: Maximilian Weipprecht
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Kategorie: Kommunikation Pflege
Zusammenfassung: Eine offene, strukturierte Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Pflegekräften verbessert die Patientenversorgung, stärkt das Teamklima und reduziert Fehler.
Warum Kommunikation im Alltag zwischen Ärzt:innen und Pflegekräften entscheidend ist
Eine gelungene Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Pflegekräften entscheidet täglich über die Qualität der Patientenversorgung. In hektischen Klinikfluren oder auf der Station kommt es auf jedes Wort, jede Rückmeldung und manchmal sogar auf einen kurzen Blick an. Studien wie der Pflege-Report 2023 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigen, dass eine offene und strukturierte Kommunikation nicht nur Fehler reduziert, sondern auch das Wohlbefinden aller Beteiligten steigert[1]. Gerade im Alltag, wo Zeitdruck und Personalmangel herrschen, werden Missverständnisse schnell zu echten Risiken für Patient:innen. Gleichzeitig bleibt vieles, was Ärzt:innen an der Pflege schätzen, unausgesprochen – sei es aus Routine, Unsicherheit oder schlichtem Zeitmangel. Diese unausgesprochenen Aspekte prägen jedoch das Arbeitsklima und die Zusammenarbeit maßgeblich. Wer die Chancen und Stolpersteine der Kommunikation kennt, kann gezielt für mehr Wertschätzung, Klarheit und Sicherheit im Team sorgen.
[1] Wissenschaftliches Institut der AOK (2023): Pflege-Report 2023, https://www.wido.de/publikationen-produkte/buchreihen/pflege-report/
Kommunikation aus ärztlicher Sicht: Was im Praxisalltag geschätzt wird
Im Klinikalltag fällt auf, dass Ärzt:innen bestimmte Qualitäten der Kommunikation besonders hoch einschätzen. Was sofort auffällt: Pflegekräfte erkennen oft kleinste Veränderungen im Zustand der Patient:innen, noch bevor diese medizinisch auffällig werden. Dieses Gespür und die schnelle, präzise Weitergabe von Beobachtungen helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen. Ärzt:innen verlassen sich darauf, dass Pflegekräfte relevante Informationen ohne Umschweife und in verständlicher Sprache mitteilen.
- Verlässlichkeit bei Rückmeldungen: Ärzt:innen loben, wenn Pflegekräfte bei Unsicherheiten direkt nachfragen oder ungewöhnliche Beobachtungen sofort weitergeben. So entsteht ein Sicherheitsnetz, das Fehler abfedert.
- Initiative und Eigenverantwortung: Besonders geschätzt wird, wenn Pflegekräfte selbstständig Lösungen suchen und im Notfall Entscheidungen treffen, ohne lange zu zögern. Das verschafft Ärzt:innen wertvolle Zeit für komplexe Aufgaben.
- Pragmatische Informationsweitergabe: Kurze, strukturierte Übergaben und gezielte Hinweise auf relevante Details erleichtern die ärztliche Entscheidungsfindung. So bleibt der Fokus auf dem Wesentlichen.
- Emotionale Intelligenz: Pflegekräfte vermitteln nicht nur Fakten, sondern auch Stimmungen und Sorgen der Patient:innen. Diese emotionale Ebene ist für viele Ärzt:innen ein unschätzbarer Mehrwert.
Eine Studie der Universität Witten/Herdecke aus dem Jahr 2022 belegt, dass Teams mit klarer Kommunikation seltener in kritische Situationen geraten und insgesamt resilienter agieren[2]. Im Praxisalltag bedeutet das: Ärzt:innen wissen, wie sehr sie auf die Kompetenz und das Kommunikationsgeschick der Pflegekräfte angewiesen sind.
[2] Universität Witten/Herdecke (2022): Interprofessionelle Kommunikation im Krankenhaus, https://www.uni-wh.de/kommunikation-im-team
Stärken und unausgesprochene Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen und Pflegekräften
| Pro (Geschätzte Aspekte der Pflege durch Ärzt:innen) | Contra (Selten offen angesprochene Herausforderungen) |
|---|---|
| Frühes Erkennen von Veränderungen bei Patient:innen | Zurückhaltung bei kritischen Rückmeldungen in Stresssituationen |
| Präzise und verlässliche Informationsweitergabe | Zu indirekte Kommunikation, die zu Missverständnissen führt |
| Eigeninitiative und selbstständiges Handeln im Notfall | Unklare Rückmeldung darüber, ob Anweisungen ausgeführt wurden |
| Emotionale Intelligenz und Weitergabe von Stimmungen der Patient:innen | Abweichende Einschätzungen über die Dringlichkeit von Aufgaben |
| Diskretion und sensibler Umgang mit vertraulichen Informationen | Technische Barrieren, z. B. nicht optimale Nutzung digitaler Kommunikationswege |
| Geduld im Umgang mit Angehörigen und deren Anliegen | Unterschiedliche Dokumentationsgewohnheiten erschweren Zusammenarbeit |
| Verlässliche Dokumentation als Grundlage medizinischer Entscheidungen | Fehlende oder verzögerte Rückkopplung bei Veränderungen im Patientenstatus |
Stille Stärken der Pflege: Unausgesprochene Wertschätzung von Ärzt:innen
Viele Ärzt:innen nehmen im Alltag besondere Eigenschaften der Pflegekräfte wahr, sprechen diese jedoch selten offen an. Die Kommunikation lebt von solchen stillen Stärken, die oft erst bei genauerem Hinsehen auffallen. Ein Beispiel: Pflegekräfte besitzen ein bemerkenswertes Talent, schwierige Situationen mit Gelassenheit zu meistern. Selbst bei hoher Belastung bewahren sie Ruhe und vermitteln Patient:innen Sicherheit. Das bleibt häufig unkommentiert, wird aber sehr geschätzt.
- Diskretion im Umgang mit sensiblen Informationen: Pflegekräfte schützen die Privatsphäre der Patient:innen, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Ärzt:innen verlassen sich darauf, dass vertrauliche Details diskret behandelt werden.
- Flexibilität bei unvorhergesehenen Ereignissen: Wenn Pläne sich ändern oder Notfälle eintreten, reagieren Pflegekräfte oft schnell und lösungsorientiert. Diese Anpassungsfähigkeit wird im Hintergrund als große Stärke gesehen.
- Geduld im Umgang mit Angehörigen: Pflegekräfte nehmen sich Zeit für Fragen und Sorgen der Familien, auch wenn der Zeitplan eng ist. Ärzt:innen bemerken, wie viel emotionale Arbeit hier geleistet wird.
- Verlässliche Dokumentation: Die lückenlose Erfassung von Beobachtungen und Maßnahmen bleibt oft unbemerkt, bildet aber die Grundlage für medizinische Entscheidungen.
Solche Fähigkeiten sind für den Behandlungserfolg entscheidend, werden aber selten direkt angesprochen. Sie machen die Kommunikation leise, aber wirkungsvoll. In Gesprächen unter Kolleg:innen taucht diese Wertschätzung manchmal auf, bleibt aber meist zwischen den Zeilen.
Herausforderungen in der Kommunikation: Was Ärzt:innen selten offen ansprechen
Im Klinikalltag gibt es einige Hürden in der Kommunikation, die Ärzt:innen oft unausgesprochen lassen. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur die Informationsweitergabe, sondern auch das Miteinander im Team. Ein häufiges Problem: Die Kommunikation läuft manchmal zu indirekt ab. Hinweise oder Bedenken werden eher angedeutet als klar formuliert. Das führt dazu, dass wichtige Details verloren gehen oder falsch verstanden werden.
- Zurückhaltung bei kritischen Rückmeldungen: Ärzt:innen beobachten, dass Pflegekräfte in Stresssituationen selten direkt auf mögliche Fehler oder Unsicherheiten hinweisen. Die Angst, als störend zu gelten, hemmt offene Gespräche.
- Unterschiedliche Prioritäten: Während Ärzt:innen auf schnelle Entscheidungen drängen, setzen Pflegekräfte oft andere Schwerpunkte. Das führt zu Missverständnissen, wenn zum Beispiel pflegerische Bedürfnisse im ärztlichen Fokus untergehen.
- Fehlende Rückkopplung: Nach der Weitergabe von Informationen bleibt oft unklar, ob alles verstanden wurde. Rückfragen werden aus Zeitdruck oder Unsicherheit vermieden, was zu Fehlern führen kann.
- Technische Barrieren: Digitale Kommunikationsmittel wie E-Mails oder elektronische Akten werden im Pflegealltag nicht immer konsequent genutzt. Das erschwert die schnelle Abstimmung und verzögert Abläufe.
Eine Untersuchung der Charité Berlin aus dem Jahr 2021 bestätigt, dass solche unausgesprochenen Hürden die Zusammenarbeit im Klinikteam beeinträchtigen[3]. Wer diese Stolpersteine erkennt, kann gezielt an einer offeneren und klareren Kommunikation arbeiten.
[3] Charité Berlin (2021): Kommunikation im interprofessionellen Team, https://www.charite.de/kommunikation-im-team
Exemplarischer Einblick: Max Mustermann berichtet aus dem Klinikalltag
Max Mustermann, seit acht Jahren Krankenpfleger auf einer internistischen Station, erlebt die Kommunikation täglich hautnah. Besonders in komplexen Situationen, etwa bei der Aufnahme neuer Patient:innen, merkt er, wie entscheidend der direkte Austausch mit Ärzt:innen ist. Max beschreibt, dass kurze, gezielte Absprachen vor Ort helfen, Doppelarbeit zu vermeiden. Ein Beispiel: Bei der Vorbereitung einer Notfalluntersuchung informiert er die Ärztin nicht nur über die Vitalwerte, sondern auch über Auffälligkeiten im Verhalten des Patienten, die nicht in der Akte stehen.
- Max hebt hervor, dass spontane Tür-und-Angel-Gespräche oft mehr bewirken als formale Übergaben. In diesen Momenten lassen sich Unsicherheiten sofort klären.
- Er berichtet, dass kleine Gesten, wie ein anerkennendes Nicken oder ein Dankeschön von Ärzt:innen, die Motivation im Team deutlich steigern.
- Max wünscht sich, dass digitale Tools besser auf den Pflegealltag abgestimmt werden. Er hat erlebt, dass viele Pflegekräfte Informationen lieber persönlich weitergeben, weil digitale Systeme nicht immer zuverlässig funktionieren.
- Er betont, dass gemeinsame Pausen mit Ärzt:innen das Vertrauen stärken. In entspannter Atmosphäre lassen sich Missverständnisse ausräumen, die im hektischen Alltag untergehen würden.
Für Max steht fest: Eine offene, ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe erleichtert nicht nur die Arbeit, sondern sorgt auch für mehr Sicherheit und Zufriedenheit bei allen Beteiligten.
Typische Kommunikationsprobleme zwischen Arzt und Pflegekraft im Patientenmanagement
Im Patientenmanagement tauchen immer wieder spezifische Stolpersteine in der Kommunikation auf, die nicht sofort ins Auge fallen. Besonders problematisch wird es, wenn unterschiedliche Fachsprachen verwendet werden. Ärzt:innen und Pflegekräfte nutzen teils eigene Begriffe, was zu Missverständnissen bei Diagnosen oder Therapien führen kann. Dadurch werden Anweisungen manchmal falsch interpretiert oder nicht vollständig umgesetzt.
- Unklare Verantwortlichkeiten: Es kommt vor, dass nicht eindeutig festgelegt ist, wer welche Aufgabe übernimmt. Dies führt zu Lücken in der Versorgung oder doppelten Arbeitsschritten.
- Unterschiedliche Dokumentationsgewohnheiten: Während Ärzt:innen oft auf die ärztliche Akte setzen, dokumentieren Pflegekräfte parallel in eigenen Systemen. Das erschwert die Nachvollziehbarkeit und kann wichtige Informationen unzugänglich machen.
- Fehlende Rückmeldung nach ärztlichen Anordnungen: Wenn Pflegekräfte Maßnahmen umgesetzt haben, fehlt manchmal die direkte Rückmeldung an die Ärzt:innen. So bleibt unklar, ob und wie Anweisungen ausgeführt wurden.
- Abweichende Einschätzung von Dringlichkeit: Was für die Pflege akut erscheint, wird von Ärzt:innen nicht immer als vorrangig eingestuft – und umgekehrt. Das führt zu Verzögerungen oder Priorisierungskonflikten.
Eine Untersuchung des Deutschen Krankenhausinstituts aus dem Jahr 2022 zeigt, dass gezielte Trainings zur Kommunikation diese Probleme deutlich reduzieren können[4]. Eine gemeinsame Sprache und klare Prozesse helfen, Fehlerquellen im Patientenmanagement zu minimieren.
[4] Deutsches Krankenhausinstitut (2022): Kommunikation und Zusammenarbeit im Krankenhaus, https://www.dki.de/kommunikation-krankenhaus
Konkrete Verbesserungsansätze für die Kommunikation aus ärztlicher Sicht
Um die Kommunikation aus ärztlicher Sicht nachhaltig zu verbessern, braucht es konkrete, alltagstaugliche Maßnahmen. Ärzt:innen schlagen vor, regelmäßig kurze Feedbackrunden einzuführen. Diese Treffen, am besten direkt nach Schichtwechsel, bieten Raum für gezielte Rückfragen und offene Klärung aktueller Themen. So lassen sich Missverständnisse zeitnah ausräumen.
- Standardisierte Kommunikationsprotokolle: Die Einführung von klaren Leitfäden für Übergaben und Rückmeldungen hilft, relevante Informationen zu strukturieren. Tools wie das SBAR-Modell (Situation, Background, Assessment, Recommendation) haben sich laut einer Studie der Universität Hamburg als wirksam erwiesen[5].
- Interaktive Fortbildungen: Gemeinsame Trainings für Pflegekräfte und Ärzt:innen fördern ein besseres Verständnis für die jeweiligen Aufgaben und Kommunikationsstile. Simulationen von Notfallsituationen stärken die Zusammenarbeit und erhöhen die Handlungssicherheit.
- Verbindliche Dokumentationswege: Ärzt:innen empfehlen, digitale Plattformen zu nutzen, auf die beide Berufsgruppen jederzeit zugreifen können. Das erleichtert die Nachverfolgung von Maßnahmen und minimiert Informationsverluste.
- Klare Eskalationswege: Für kritische Situationen sollten feste Abläufe definiert werden, wann und wie Pflegekräfte Ärzt:innen direkt informieren. Das schafft Sicherheit und beschleunigt Entscheidungen.
Diese Ansätze sorgen dafür, dass die Kommunikation im Klinikalltag verlässlicher, transparenter und effektiver wird. Eine konsequente Umsetzung stärkt das Miteinander und erhöht die Qualität der Patientenversorgung.
[5] Universität Hamburg (2022): SBAR-Kommunikation im Krankenhaus, https://www.uke.de/sbar-kommunikation
Fazit: Mehr Verständnis und offener Austausch für eine erfolgreiche Teamarbeit
Ein erfolgreicher Klinikalltag lebt von gegenseitigem Verständnis und einer offenen Kommunikation. Entscheidend ist, dass alle Teammitglieder die Vielfalt an Perspektiven anerkennen und gezielt nutzen. Wer bereit ist, auch ungewöhnliche Sichtweisen einzubringen, entdeckt oft innovative Lösungen für komplexe Herausforderungen.
- Die gezielte Förderung von Dialogbereitschaft unterstützt ein Klima, in dem Fragen und Anregungen ausdrücklich erwünscht sind.
- Ein respektvoller Umgang mit Fehlern schafft Raum für Lernprozesse und steigert die Sicherheit im Team.
- Die bewusste Reflexion von Kommunikationsmustern hilft, eingefahrene Abläufe zu hinterfragen und neue Wege zu gehen.
Mit einer Kultur des offenen Austauschs lassen sich nicht nur Abläufe verbessern, sondern auch das Wohlbefinden aller Beteiligten nachhaltig stärken. Wer die Chancen der Kommunikation erkennt und nutzt, sorgt für ein Team, das auch in stressigen Situationen zusammenhält und gemeinsam wächst.